DIE STADT.Zwischen Skyline und Latrine
Was macht eine Stadt zur Stadt? Antworten gibt es so viele wie Städte: Marienberg oder New York? Uruk oder Damaskus? Athen oder Rom? Wien oder Wuppertal? Seit Aristoteles bleibt dabei offen, ob der gebaute Raum oder die Menschen das Wesen der Stadt ausmachen.
Die Vielschichtigkeit und die Ambivalenz des Phänomens Stadt wird auch durch die beiden Begriffe Skyline und Latrine symbolisiert. Die Stadt mit ihrer Skyline ist und war Verheißung und Bedrohung zugleich. Latrinen mittelalterlicher Städte sind Jahrhunderte später für die Stadtarchäologie Fundgruben des städtischen Lebens. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch unsere Ausstellung.
Kommen Sie mit auf eine Reise durch vier thematische Stadtviertel und lassen Sie sich von der Vielfalt überraschen!
Wie entsteht unser Bild DER STADT?
Visuelle Medien sind allgegenwärtig und prägen unsere Vorstellungen von Städten. So setzten schon mittelalterliche Städte Bilder und Symbole zur Kommunikation ein. Wichtig für ihr Selbstverständnis waren vor allem auffällige Bauten. Oft sieht man Mauern, Tore und Türme auf Stadtsiegeln und Wappen. Bis heute finden sie sich in städtischen Logos wieder. Kurzum: Unsere Vorstellungen von Stadt werden durch Symbole, Bilder, Erzählungen und andere Medien beeinflusst. Wichtig ist, diese immer kritisch in dem Zusammenhang zu betrachten, in dem sie entstehen und gezeigt werden. Denn Bilder formen nicht nur unseren Blick auf die Stadt, sie haben auch Einfluss darauf, wie wir unsere Städte gestalten.
Zwischen Identitätund Image
Städte nutzen Symbole und sprachliche Bilder schon seit dem Mittelalter als Kommunikationsmittel. Damals dienten sie zur Entwicklung städtischer Identität. Heutzutage sollen sie Städte in Image- und Marketingkampagnen im internationalen Wettbewerb positionieren. Dabei wird häufig eine Erzählung verwendet, die lokale und regionale Besonderheiten vergangener Zeiten aufgreift, um eine kollektive Selbstvergewisserung zu entwickeln.
Seit der Antike waren idealtypische Bilder von Mauerkronen starke Symbole für die Stadt an sich. Bereits im griechisch-römischen Kulturraum wurden die zumeist weiblichen Stadtpersonifikationen oftmals mit einem Mauerkranz auf dem Kopf abgebildet. Man verehrte diese Stadtgöttinnen in ihrer Eigenschaft als Glück und Wohlstand bringende Beschützerin. Die Mauerkrone mit Stadtmauer, Toren, Türmen und Zinnen verweist sowohl auf den gebauten Raum der Stadt als auch auf den Schutz, den diese ihren Bewohnern bot.
Führung durch den Stadtteil
mit der Kuratorin Katja Manz
Stadtansichten auf Guckkastenbildern
Von der Münzezur Skyline
Das Beispiel Meißen
Stadtansichten finden sich heute häufig als Fotografien auf Postkarten und in Reiseführern. Dabei werden stellvertretende Merkmale und Wahrzeichen hervorgehoben, die typisch für die jeweilige Stadt sind. Die Entwicklung und Verbreitung von Stadtansichten ist eng verknüpft mit den Möglichkeiten der Vervielfältigung und dem Kontext der Verwendung. Bei dem Wort Skyline denken viele sicherlich nicht direkt an die älteste Stadt Sachsens. Welche visuellen Merkmale sind typisch für die Stadt Meißen?
Schon frühe Meißner Münzen weisen symbolhafte Stadtansichten mit Wahrzeichencharakter auf. Auf der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Münze lässt sich bereits im Vordergrund eine Brücke mit Steinbögen erkennen, die die heutige Elbbrücke symbolisieren könnte.
Im späten Mittelalter tauchen Stadtansichten als Hintergrundillustration auf Altargemälden auf. Erst mit der Renaissance erhielten Stadtdarstellungen mehr Details. Infolge der Erfindung des Buchdrucks in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden immer mehr gedruckte Stadtansichten. Die älteste Ansicht Meißens ist ein Holzschnitt von Hiob Magdeburg, der erstmals in der 1558 erschienenen Ausgabe von Sebastian Münsters Cosmographia abgedruckt war.
In kartografischen Werken sind Stadtansichten Ausdruck des herrschaftlichen Bedürfnisses, Besitz- und Nutzungsrechte des Landes vollständig darzustellen. Damit haben sie auch immer eine machtpolitische Komponente.
Zu Repräsentationszwecken werden im 18. Jahrhundert in wohlhabenderen Gesellschaftsschichten Ölgemälde in Auftrag gegeben. Diese sind zugleich Ausdruck eines bürgerlichen Stolzes auf die eigene Stadt.
Der Reiz, der von einer Stadtansicht ausgeht, regte verschiedene Künstler an, kunstgewerbliche Erzeugnisse mit einer Stadtdarstellung aufzuwerten.
Der Anfang des 19. Jahrhunderts aufkommende Tourismus und der Handel steigerten auch die Nachfrage nach Stadtansichten. Zahlreiche Verlage gründeten sich, neu entwickelte technische Verfahren ermöglichten höhere Auflagenzahlen: Stadtansichten wurden endgültig zur Massenware in Form von Reiseandenken und Postkartenmotiven.
So unterschiedlich die Verwendungskontexte auch waren, die Stadtansichten Meißens zeigen bis ins 18. Jahrhundert zwei immer wiederkehrende Bildelemente: den Burgberg mit Dom und Albrechtsburg und die Elbbrücke. Diese visuellen Komponenten bilden bis heute die Meißner Skyline.
Wie wird die STADTgebaut?
Was macht die Stadt aus: Menschen oder Häuser? Die Frage ist seit Aristoteles ungeklärt, aber was einmal gebaut ist, beeinflusst das Leben der Menschen oft für Generationen. Auch deshalb haben sich Menschen schon frühzeitig Gedanken darüber gemacht, wie man eine Stadt idealerweise baut. Vom Material, über die Konstruktion und das einzelne Gebäude führt der gedankliche Weg zum Stadtraum als Ganzen. Gesellschaftliche und ästhetische Ideale spiegeln sich im Städtebau ebenso wider wie pragmatische Überlegungen, Geld- und Machtfragen.
Am Anfang war der Lehm
Bis ins 20. Jahrhundert wurden Städte vor allem aus dem Material gebaut, das vor Ort zur Verfügung stand. Ob Lehm, Holz, Naturstein, „Backstein“ oder Kombinationen davon: Farbe, Maße und Struktur wirken sich auf die Bauweise und das Gesicht der Stadt aus. Dabei gab es fast immer auch besondere Materialien, die für herausragende Bauten und spezielle Bauaufgaben verwendet wurden.
Als Wiege des Städtewesens wird meist das Zweistromland, der heutige Irak, angesehen. Vor mehr als 5000 Jahren entstanden dort die ersten dicht bebauten Siedlungen mit vielen tausend Einwohnern. Diese Städte bestanden vor allem aus Lehm. Selbst Monumentalbauten wurden aus getrockneten oder gebrannten Lehmziegeln gebaut. Das gilt auch für Uruk, das um 3300 v. Chr. eine erste Blüte erlebte.
Mittelalterliche Städte in Mitteleuropa waren zu guten Teilen Fachwerkstädte, erst im Spätmittelalter nahm in einigen Regionen der Anteil von Steinbauten deutlich zu. Das galt wohl auch für Chemnitz. Bei den Grabungen auf dem Getreidemarkt wurde 2019 eine umgestürzte Fachwerkwand aus dem 14. Jahrhundert freigelegt und im Block geborgen. Durch ein Feuer sind Holzgerüst und Lehmausfachung konserviert worden.
Das Gesicht der Stadt
Aus Bausteinen entstehen Häuser, aus Häusern entstehen Straßen, aus Straßen entsteht eine Stadt. Jedes Haus hat individuelle Züge und doch sorgt die Begrenztheit der Materialien und der konstruktiven Möglichkeiten für eine Einheitlichkeit des Ganzen. Daraus entsteht für jede Stadt auch ein eigenes Gesicht, eine Struktur, ein Rhythmus, eine Farbigkeit. Und doch: Es ist gar nicht so einfach, eine Stadt an ihren Fassaden zu erkennen, wenn die berühmten Wahrzeichen fehlen. Probieren Sie es aus! Die Lösung erhalten Sie indem Sie mit dem Zeiger der Maus über das Bild fahren.
#DieStadt ganz anders erlebenmit unserer neuen App
Chemnitz ZeitWeise
Wenige Städte haben so viele bauliche und gesellschaftliche Umbrüche erlebt wie Chemnitz. Sie sichtbar zu machen, ist eines der Ziele unserer neuen App. Mit Chemnitz ZeitWeise ist es spielerisch möglich, längst verschwundene Gebäude mittels Augmented Reality an ihrem originalen Standort auferstehen zu lassen.
Hier gibt es die App zum Download im AppStore (eine Version für Android-Geräte wird im Moment entwickelt). Sie haben kein Smartphone/iPhone und wollen trotzdem auf Zeitreise gehen? Wie leihen Ihnen gern ein Tablet an der Kasse im Foyer aus.
Führung durch den Stadtteil
mit der Projektmitarbeiterin Jennifer Wilde
Ist ein Stadtraum einmal gebaut, kann er das Leben von Generationen von Stadtbewohner:innen beeinflussen. Auch deshalb denken Menschen seit der Antike intensiv über Stadtplanung und Städtebau nach. Auf der Suche nach der perfekten Stadt findet jede Zeit, jede Kultur und jedes Herrschaftssystem eigene Lösungen. Wie lassen sich gesellschaftliche Verhältnisse und wirtschaftliche Notwendigkeiten verbinden? Welche ästhetischen Ideale passen zu welchem Herrschaftssystem? Oft stellt die Stadtplanung die ganz großen Fragen. Eine besondere Rolle spielten dabei zentrale Bauten. Orte, an denen die Stadtgesellschaft sich versammelt und mit denen sie sich identifizieren kann.
Turm zu Babeldes 21. JahrhundertsDer Burj Khalifa
Türme gehören seit dem Turmbau zu Babel zu den symbolträchtigsten städtischen Gebäuden. Auch als Zentrum des neuen Stadtgebiets Downtown Dubai war nicht weniger als der höchste Wolkenkratzer der Welt geplant. Seine Höhe? Sagenhafte 828 m! Spektakulär auch die Bauweise: Auf einem Y-förmigen Grundriss stehen drei Gebäudesäulen, die sich in der zentralen Achse gegenseitig stützen. Der Burj Khalifa ist eine architektonische und ingenieurstechnische Meisterleistung! Aber der Turm teilt mit seinem alttestamentarischen Vorläufer auch die Schattenseiten. Eröffnet 2010 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in Dubai wurde er zum Symbol für Größenwahn und Hybris. Noch heute sind nicht alle 163 Etagen mit Hotels, Büros, Wohnungen, Einkaufs-, Unterhaltungs- und Freizeitmöglichkeiten ausgelastet.
Die Suche nachgöttlicher Ordnung
Herrnhuter Stadtplanung in den USA
Als Spiegel des Missionsalltags plante Nikolaus Graf von Zinzendorf (1700-1760), Gründer der Brüdergemeinde in Herrnhut die Planstadt Salem in North Carolina (USA). Kreisrund sollte sie sein mit zentralem Gemeindesaal und davon wegführenden Straßen. Der Plan wurde abgelehnt. Die Kritik der Gemeindemitglieder vor Ort: Anders als das „Himmlische Jerusalem“ habe er nicht zwölf sondern acht Seiten. In der Hügellandschaft vor Ort hätte seine Umsetzung zudem erheblich mehr Aufwand bedeutet. Als Alternative entwarf Gottlieb Reuter einen rechteckigen Grundriss. Im endgültigen Bebauungsplan von Salem wurden Symmetrie und Einheitlichkeit an die örtliche Landschaft angepasst. In der frühen Neuzeit scheiterte die perfekte Umsetzung von Idealstädten nicht selten an den Bedingungen der Realität.
Der Katalog zur Sonderausstellung
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Wie leben wir in derSTADT?
Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Städte: Seit 2008 leben weltweit mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Doch wie lebt man dort? Was macht die Stadt attraktiv, was nicht?
Das Leben in der Stadt folgt eigenen Gesetzen. Hier kommt auf engstem Raum vieles zusammen. Die Stadt garantiert Anonymität und persönliche Freiheit. Neben Wohlstand und Erfolg gibt es hier Armut und Verbrechen.
Dabei stehen Städte immer auch für Vielfalt und Kreativität. Waren, Ideen, Techniken und Geschichten kommen über Häfen und Handelsstraßen auf die Plätze und Gassen der Stadt. Innovationen gehen von hier ins Land hinaus. In den Gasthäusern und Straßencafés, in den Theatern und Arenen geht es ums Sehen und Gesehen-Werden, um Tratsch und Diskussionen, das Zusammenleben, das Vergnügen und den Rausch.
Latrinen zählen zu den unappetitlichen Phänomenen vormoderner Städte. Für die Archäolog:innen sind sie allerdings Fundgruben, die Dank besonderer Erhaltungsbedingungen überraschende Einblicke in das Alltagsleben vergangener Epochen bieten. Denn in den Latrinen landeten nicht nur menschliche Fäkalien, sondern Abfälle aller Art.
Dass die bauliche Verdichtung in den Städten oft in die Höhe führt, ist offensichtlich. Die großen gemauerten Latrinen zeigen aber, dass es auch in die andere Richtung gehen konnte. Die Abfallentsorgung wurde zu einem typisch städtischen Problem. Ein eigener Berufszweig war für die Entleerung der Latrinen zuständig und sorgte dafür, dass der Inhalt die Äcker der Umgebung düngen konnte.
Aus einer Dresdner Latrine stammt ein umfangreicher Fundkomplex aus der Zeit um 1600. Bemerkenswert sind vor allem die gut erhaltenen Holzfunde. Doch auch Gläser und die allgegenwärtige Keramik sind in guter Qualität und Vielfalt vorhanden. Metallfunde fehlen hingegen fast vollständig, was zeigt, dass Eisen, Buntmetall und natürlich Edelmetalle nach Möglichkeit wiederverwertet wurden. Insgesamt dürfte die Latrine zu einem wohlhabenden, aber gewiss nicht reichen Haushalt gehört haben.
Führung durch den Stadtteil
mit dem Kurator Mario Kliewer
UrbaneRhythmen
Der Tagesablauf einer mittelalterlichen Stadt wurde noch vom Sonnenverlauf bestimmt. Erst die Erfindung der mechanischen Turmuhr ermöglichte eine genauere Zeiteinteilung. Seit den 1820er Jahren löste die künstliche Straßenbeleuchtung zunehmend die natürlichen Grenzen zwischen Tag und Nacht auf. Die Arbeitstage wurden länger und ein städtisches Nachtleben entstand. Urbane Lebensrhythmen kann man aber auch hören. Vielfältige Geräusche bilden zu jeder Zeit und in jeder Stadt eine ganz eigene atmosphärische Klangkulisse.
Ab 1828 erhielt Dresden nach Freiberg und Berlin als dritte deutsche Stadt eine flächendeckende Straßenbeleuchtung mit Gaslaternen. Das künstliche Licht sollte die Sicherheit auf Straßen und Plätzen erhöhen, es ermöglichte aber auch das städtische Nachtleben, das eng mit der Erfindung der Gaslaterne zusammenhing.
Hört ihr Leut und lasst euch sagen, unsere Uhr hat ‚Stadt‘ geschlagen!
Ein kleiner Erfahrungsbericht von Nadine Oppermann, die von Mitte Februar bis Ende März 2021 Praktikantin im Team Stadt war:
"Noch knapp zwei Wochen und dann ist es soweit – eine neue Sonderausstellung im smac! Exponate werden eingeräumt, Vitrinen geputzt, das Licht exakt eingestellt. Genau in diesem organsierten Chaos mit zu viel Kaffee und zu wenig Zeit, Haare raufen, ein paar Seufzern und doch einer großen Menge an Vorfreude, absolviere ich als Museologie-Studentin mein Praktikum. Einen besseren Einblick für meine zukünftige Arbeit kann ich nicht erhalten!
Und noch besser: ich darf im Rahmen von smac+ eines der Objekte aus dem Bereich „Leben in der Stadt“ präsentieren. Darf ich vorstellen, das Nachtwächterhorn aus Wernigerode! Es mag schmucklos und schlicht aussehen, seine Wirkung aber verliert es dadurch nicht. Der Nachtwächter nutzte dieses bei Gefahren und Brandausbrüchen, um ein Signal an die Stadtbewohner zu senden. Schließlich war es seine Funktion für Schutz und Sicherheit in der Stadt zu sorgen."
Der Lebensrhythmus einer Stadt lässt sich auch über ihre Geräusche wahrnehmen, die zu jeder Zeit und in jeder Stadt eine ganz eigene atmosphärische Klangkulisse bilden. Kirchenglocken, der Ruf des Muezzins zum Gebet, Markttreiben, Peitschenknallen und Verkehr fügen immer neue Klangschichten hinzu. In der Ausstellung kann man sich seinen eigenen urbanen Klangteppich zusammenstellen.
Für die Ausstellung haben wir von Anfang an Freiräume für partizipative Beiträge mitgedacht. Diese wurden im Rahmen einer Teilnahmeausschreibung im Jahr 2019 von einer unabhängigen Jury ausgewählt. Sie tragen in den einzelnen Bereichen mit ihren überraschenden Perspektiven zu einer breiten und vielfältigen Sicht auf die Stadt bei. Zwei der fünf Beiträge haben sich ebenfalls mit Geräuschen in der Stadt auseinandergesetzt und werden hier vorgestellt.
Wo bin ich? Wie klingt meine Stadt, wie fühlt sie sich an?
Gemeinsam mit zwei Lehrerinnen haben Alrik, Erik, Josephine, Louise und Mohamad Orte in Chemnitz ausgesucht, die besonders interessant klingen. Die blinden Schüler:innen der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte haben ein Hör-Quiz entwickelt. Hier können Besucher:innen der Ausstellung die Geräusche verschiedenen Punkten zuordnen, die auf einem Modell der Chemnitzer Innenstadt markiert sind. Ob sie wohl so gute Ohren haben wie unsere Profis?
Erkennen Sie die Orte?
Geräuschselbstporträt
Welche Geräusche wirken täglich auf uns ein? Wir haben die Lärmbelastung in Dezibel für zwei Jugendliche über einen Tag zusammengestellt. Damit zeigen wir Unterschiede zwischen Stadt und Land. Wo kann Stress entstehen? Was entspannt? Wie kann man Ruhe finden? Hören und sehen Sie selbst!
Angela (16), Flavia (16), Maja (16), Tobias (16)
AnSTATT STADT
Im Rahmen einer ästhetischen Forschung erkundeten 22 Schüler:innen des Gymnasiums Klotzsche in Dresden ihre Stadt. In Kleingruppen wurden eigene Fragestellungen entwickelt und als Kunstprojekte eigenständig umgesetzt. Drei davon werden in der Ausstellung repräsentativ gezeigt. Der Beitrag „AnSTATT Stadt“ entstand im Rahmen des künstlerischen Profils am Gymnasium Klotzsche, für das sich Schüler:innen ab Klasse 8 entscheiden können. STATT steht dabei veraltet für Stätte im Sinne besonderer Orte in der Stadt. STADT wurde als größere, dicht geschlossene Siedlung betrachtet. Und anSTATT STADT regte dazu an, auch alternative Formen städtischen Lebens und Lebensraums zu erforschen.
Wem gehört dieSTADT?
Mit der Stadt entstand die Politik. Auf der Agora und im Rathaus, in Zünften und in Nachbarschaften werden seit der Antike die Regeln des Zusammenlebens und die Machtverteilung immer wieder neu ausgehandelt. Unterschiedliche Interessen und Werte treffen aufeinander. Die Vielfalt der Bewohner:innen macht die Stadt zur Bühne urbaner Lebensstile und das enge Zusammenleben erzeugt nicht selten Konflikte. Wo sich traditionelle Bindungen auflösen und nicht mehr jeder jeden kennt, schafft die Stadt aber auch neue Freiheiten und wird zum Experimentierfeld für neue Lebens- und Wohnformen. Heute nutzen zudem soziale Bewegungen den städtischen Raum, um ihre Anliegen auszudrücken; die Stadt wird zum Ort gesellschaftlicher Verhandlungen.
Wer darf indie Stadtund wer nicht?
Die Autonomie der Stadt fand ihren Ausdruck auch in baulichen Strukturen. Die Stadtmauer als Symbol der Wehrhaftigkeit ist einerseits ein Schutz der Bewohnenden und andererseits eine Abgrenzung nach außen. Befestigungsanlagen gehörten im Mittelalter zum typischen Bild einer Stadt. Stadttore wurden von der Stadtwache bewacht und nachts verschlossen. Wer kein Bürger war oder in der Stadt keine Bleibe hatte, musste die Stadt am Abend verlassen.
Die Tontafel gilt als ältester Stadtplan der Welt, auf der die Stadt Nippur dargestellt ist. Er zeigt vor allem Stadtmauern und Stadttore und hat daher möglicherweise militärischen Zwecken gedient.
Führung durch den Stadtteil
mit dem Projektleiter Jens Beutmann
StadtundSchrift
Bei einem Spaziergang durch die Stadt fällt uns gar nicht mehr auf, wie allgegenwärtig sie ist: die Schrift.
Von Straßen- und Verkehrsschildern, Wegweisern, Ladenschildern und Werbeplakaten über Inschriften an öffentlichen Gebäuden und Denkmälern bis hin zu Graffiti, Flyern und Aufklebern – die unterschiedlichsten Schriftzeugnisse benennen und markieren den Stadtraum, bieten Orientierung und geben Handlungsanweisungen.
Die Art der Schrift sagt zudem viel über den Status und das Ansehen der Institutionen, Gruppen und Personen aus, die sie anbringen. Vereinfacht ausgedrückt könnte man sagen: je sichtbarer und dauerhafter die Schrift, desto offizieller die Schreiber. So spiegelt die urbane Sprachlandschaft auch die Machtverhältnisse in den städtischen Gesellschaften und die Konkurrenz um die Nutzung des öffentlichen Raums wider.
Warum ist Berlin das neue Athen? Oder ist es genau umgekehrt?
Artikel: Was dieses Graffito im Athener Stadtzentrum mit städtischen Problemen und Gentrifizierung zu tun hat (auf Englisch, externer Link)
Von Abis Z
Bereits die Anfänge der Schrift und der Stadt hängen eng zusammen.
Frühe Städte wie Uruk im heutigen Südirak besitzen bereits ein ausgeklügeltes Wirtschaftssystem, das unter der Leitung der Stadttempel und -fürsten steht. Wahrscheinlich wird hier um 3100 v. Chr. das erste bekannte Schriftsystem erfunden.
Die sogenannte Keilschrift dient zunächst dazu, Verwaltungsvorgänge festzuhalten, erst später werden auch religiöse und politische Themen aufgeschrieben. Nur wenige Spezialisten beherrschen das Schreiben. Der Archäologe Vere Gordon Childe stellte daher in den 1950er Jahren die vieldiskutierte These auf, dass die Verschriftlichung zur Herausbildung städtischer Eliten führt.
In den griechischen und römischen Städten der Antike ist der Anteil der Bevölkerung, der lesen und schreiben kann, sehr viel höher. Die Graffiti und Dipinti - geritzte bzw. gemalte Inschriften - in Pompeji etwa vermitteln einen lebendigen Eindruck von der Teilhabe der Stadtbewohner am öffentlichen Leben. Die Hauswände bedecken zeitlose Grußbotschaften und Liebesschwüren wie „Quintus war hier“ oder „Primus liebt Secuna“, Schmähungen „Platz doch, Mino Carpo“ und Bekanntmachungen aller Art „Die Gladiatorentruppe des Aedilen Suettius Certus wird am 31. Mai in Pompeji kämpfen.“
Im Namen guter Nachbarschaftshilfe können die Hauswände auch als Wahlkampfbühne dienen: „Die Bewohner im Viertel am Kampaner-Tor bitten darum, Markus Epidius Sabinus zu wählen.“
Die städtischen Behörden wählen oft dauerhaftere Materialien, um ihre Interessen durchzusetzen. So gelten die mittelalterlichen Stadtrechte für einen bestimmten Personenkreis und in einem abgegrenzten Territorium. Dieses wird nach dem Sachsenspiegel als Weichbild bezeichnet und umfasst auch einige Quadratkilometer Land außerhalb der Stadtmauern.
In Dresden werden an den Grenzen dieses Umlands ab 1501 die sogenannten Weichbildsteine gesetzt, die mit dem Dresdner Stadtwappen Einheimischen und Fremden signalisieren, wer in diesem Gebiet das Sagen hat.
Die Schrift kann auch ein Mittel von Minderheiten und Subkulturen sein, um Freiräume in der Stadt zu erobern.
Die Leuchtbuchstaben A und U schmücken von 1977 bis 2000 die Fassade des Cafés Anderes Ufer in Berlin, das mit seinen großen Schaufenstern zu den ersten, buchstäblich offenen schwul-lesbischen Cafés in Berlin gehört. Auch der Name ist Programm und steht für die Rückeroberung und positive Umdeutung eines ursprünglich abwertend gemeinten Begriffs.
Der Szenetreffpunkt zieht viele Kreative an; hier kann man mit David Bowie, der von 1976–1978 nur einige Häuser weiter wohnt, einen Kaffee trinken und nach dem Motto „Party und Politik“ (Ausstellungskatalog Homosexualitäten, 2015) die Interessen der queeren community unterstützen.
Beteiligte
SMAC
Gesamtverantwortung
Sabine Wolfram, Direktorin
Projektleitung
Jens Beutmann
Kurator:innen
Mario Kliewer
Katja Manz
unter Mitarbeit von
Dirk Sorge und Jennifer Wilde
Leihverkehr
Jennifer Wilde
Museumsshop
Mandy Kautz
Nancy Müller
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Jutta Boehme
unter Mitarbeit von Doris Hoffmann
Katalog
Jennifer Wilde
unter Mitarbeit von Sarah-Julie Wittmann
Bildung und Besucherservice
Peter Degenkolb
Sabine Lienen-Kraft
Nancy Müller
Inklusion
Dirk Sorge
Soziale Medien
Annelie Blasko
Katja Manz
Christina Michel
Praktikant:innen
Susie Bogen
Maximilian Günzel
Christin Häfner
Sandra Leonhardt
Michele Mielack
Nadine Oppermann
Friederike Reese
Technik und Aufbau
Robert Brunner
Tino Kretzschmar
Luca Ronneburger
Alexander Windisch
LANDESAMT FÜR ARCHÄOLOGIE SACHSEN
Restaurierung und Exponateinrichtung Chemnitz
Gabriele Wagner
Franziska Frenzel
Transporte
Mario Linke
Thilo Krasselt
Verwaltung und Haushalt
Katrin Freudenberg
Steffi Goldberg
Jeanette Kaiser-Doert
Jörg Leitermann
Torsten Ludwar
Claudia Richter
Ina Warnack
Blockbergung und -präparation
Karsten Bauch
Reinhard Kappler
Holm Ritter
Zentrale Fachdienste
Robert Reiß
Onlineshop
Christoph Heiermann
Leihverkehr
Uwe Reuter